Autsch – das Kreuz. Viele kennen das. Plötzlich zuckt bei einer hastigen Bewegung ein Schmerz durch den Rücken, Arme und Beine kribbeln oder ein langsamer Schmerz strahlt bis zu den Füßen und Händen aus. Die Diagnose Bandscheibenvorfall erschreckt viele, früher war das fast immer mit einer Operation verbunden. Aber heute gibt es differenziertere Behandlungswege. Eine OP sollte bei einem Bandscheibenvorfall immer der letzte Ausweg sein, wenn gar nichts anderes hilft oder ein lebenswichtiger Nerv eingeklemmt ist.

Dann überfällt viele Betroffene Schuldgefühle – "Hätte ich mich doch mehr bewegt! Hätte ich doch mehr Gymnastik gemacht!" Aber die gute Nachricht in diesem Fall ist, dass Abnutzung – und um eine solche handelt es sich ja beim Bandscheibenvorfall – zu 75% genetisch vorgeprägt ist. Der Rest ist Überlastung der Wirbelsäule durch schwere körperliche Arbeit, Fehler in der Körperhaltung, Lebensstil, untrainierte Bauchmuskulatur und eine lieblose Behandlung seines Rückens, der mit uns eine Menge mitmachen muss.

Unser gesamter Organismus und auch das Skelett und der Bewegungsapparat sind Abnutzungen unterworfen, das bleibt nicht aus. Auch die Bandscheiben verlieren mit der Zeit an Festigkeit und Elastizität und der Fähigkeit, Flüssigkeit zu speichern.

Die Bandscheiben sind Wasserkissen, die zwischen den Wirbeln dafür sorgen, dass der Druck auf den Rücken sich auf alle 23 Wirbel verteilt und es zu keinen Stauchungen kommt.

Von einem Bandscheibenvorfall betroffen ist meist die Lendenwirbelsäule, weniger die Hals- oder Brustwirbel. Wenn die Bandscheibe durch kleine Brüche immer wasser- und gewebeärmer wird und sie bei Belastung immer und immer wieder gegen den sie umgebenden harten Faserring gedrückt wird, kann das Innere nach außen rutschen. Bleibt dieser intakt, nennt man es eine Bandscheibenvorwölbung. Falls nicht – und in diesem Fall tritt gallertförmige Masse nach außen – handelt es sich um einen Bandscheibenvorfall.

Auf den ganzen Körper kann sich der Schmerz ausweiten, wenn die Bandscheibe auf einen Rückennerv oder das Rückenmark einwirkt. Bei der Diagnose wird heute seltener Röntgen eingesetzt. In welchem Bereich der Schmerz zu spüren ist, wohin er ausstrahlt, ob Husten und Niesen einen Schmerz hervorruft, ob die Beine sich taub anfühlen, ob man besonders oft die Toilette aufsucht – das sind erste Erkennungsmerkmale für den Arzt. Die Prüfung der Rückenmuskulatur, der Beschaffenheit der Wirbelsäule und der Reflexe gibt weitere Anhaltspunkte, an welcher Stelle der Bandscheibenvorfall sitzt. Eine MRT – Magnetresonanztomographie – , d.h. eine Schichtaufnahme des Rückens wird erwogen, wenn der Verdacht auf Brüche, Fehlstellungen oder ein Geschwulst vorliegt.

Bei einem Bandscheibenvorfall werden heute zunächst Schmerzmittel und Injektionen eingesetzt und Physiotherapie und Bewegung verordnet. Sobald der Schmerz gelindert ist, muss der Betroffene durch gezielte Bewegung den Gewebekissen zwischen seinen Wirbeln zu neuer Elastizität verhelfen. Auch Akupunktur, Wärmebehandlung und gezielte Massagen können sehr hilfreich sein. Eine operative Regulierung wird heute in Betracht gezogen, wenn ein gequetschter Nerv Blasen- und Darmtätigkeit beeinträchtigt. Bei diesen Eingriffen werden überstehende Gewebsteile oder störende Bestandteile der Bandscheibe mit Spezialinstrumenten und von einer kleinen Kamera begleitet entfernt oder die komplette Bandscheibe durch ein "Ersatzteil" erneuert. Der Operateur kann auf einem Bildschirm das Innere genau einsehen. Bei einer Vorwölbung der Bandscheibe befreit Verdampfung oder Absaugung den gequetschten Nerv vom Druck.

Nach einer Operation des Bandscheibenvorfalls muss man bald daran gehen, die Rücken- und Bauchmuskeln systematisch aufzubauen, denn nichts schützt langfristig besser als ein toppfittes Muskelsystem. Sportstudios bieten spezielle Rückschulen oder Stretchingkurse an für diejenigen, die von einem Bandscheibenvorfall betroffen sind. Auch geführtes Krafttraining, das spezielle Muskelgruppen stärkt, ist zu empfehlen. Seinen Alltag sollte man überprüfen: Sitze ich richtig am Schreibtisch? Stimmt die Höhe? Sorge ich während langer Sitzphasen für Lockerung und Entspannung? Sitze ich nicht grundsätzlich viel zu viel? Kann ich öfters mal auf das Auto verzichten und mit dem Fahrrad zum Einkaufen, zum Sport oder ins Büro fahren? Halte ich mich beim Stehen gerade? Hebe ich schwere Gegenstände richtig an? Auch für die, die vor dem Bandscheibenvorfall sehr viel Sport gemacht haben, können behutsam und kontinuierlich wieder an ihr Powerprogramm gehen. Nichts übertreiben und auf die Signale des Körpers achten – das ist schon die halbe Miete.