Wer es liebt, beim Lesen von Romanen Geschichte zu erleben, sich von anderen Welten und Kulturen verzaubern zu lassen und dabei immer hautnah am Geschehen zu sein, ist mit dem historischen Roman "Bis ans Ende der Meere" von Lukas Hartmann gut beraten. Der junge Maler John Webber bekommt im Juni 1776 die einmalige Gelegenheit, den berühmten Kapitän James Cook auf seiner dritten Seereise zu begleiten, um als Expeditionsmaler die Erlebnisse der Fahrt in Bildern festzuhalten.

Der Leser von "Bis ans Ende der Meere" wird mitgenommen auf eine Fahrt von Plymouth (England) über Neuseeland nach Alaska und zurück. Zwei Schiffe, die Resolution und die Discovery, machen sich, geführt von dem ehrgeizigem Kapitän, auf die Suche nach der legendären Nordwest Passage. Warmes Klima, raues Klima, Schiffstaufe und neue Freundschaften, Strafaktionen und Saufgelage. Auf der vier Jahre dauernden Reise gibt es viele schöne, aber auch weniger schöne Stationen. Hartmann beschreibt bilderreich die verschiedenen Erlebnisse sowie die Bewohner und die Landschaften der bereisten Inseln. Er wechselt geschickt die Zeiten und Perspektiven, so dass der Roman nicht einfach nur eine chronologische Abfolge der Ereignisse der Schiffsfahrt darstellt. Häppchenweise bekommt der Leser vorweggenommene Informationen, deren tieferen Hintergrund er aber oft erst später, beispielsweise im Tagebuch der Entdeckungsreise, erfährt.

Bis ans Ende der Meere: Die Reise des Malers John Webber mit Captain Cook - Partnerlink

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Hartmann beschäftigt sich in seinem Buch "Bis ans Ende der Meere" mit der Bedeutung des Fortschritts für die Eingeborenenstämme und hinterfragt den Nutzen des Eingriff in deren Kultur. Die europäischen Besitzansprüche und deren Durchsetzung unter Berücksichtigung christlicher Werte führen zu einigen Diskussionen in der Schiffsmesse. Auch das Schönen der öffentlichen Darstellung der Geschehnisse im Vergleich zu den realen Ereignissen wird vom Autor thematisiert. Ein Eingeborene auspeitschender Kapitän Cook in abgetragener Uniform passt der Regierung eben nicht so gut ins Bild wie ein heldenhafter Kapitän im Galadress. Diesen Vorgaben muss sich der angestellte Webber mit seinen Zeichnungen gezwungenermaßen unterwerfen. Auch schon auf der Reise unterliegt bereits Einiges der Zensur des strengen Kapitäns. Dennoch ist Webber von der Art dieses bedeutenden Mannes fasziniert. Heimlich führt er Aufzeichnungen in seinem Tagebuch. Am Ende der Reise wird er diese persönlichen Aufzeichnungen erfolgreich an den Kontrollen vorbeischmuggeln können.

Webbers erste Zeit an Bord gleicht einer Folter. Enge Räume, strenge Gerüche und die Gesellschaft der teils recht ungehobelten Seeleute sind Dinge, an die sich Webber erst nach und nach gewöhnt. Als besonders schlimm empfindet er die Schiffstaufe am Äquator. Mit der Zeit ändern sich die Dinge. Als Webber später zurück in England ist, merkt er deutlicher denn je, wie sehr er sich an das Leben auf See gewöhnt hat. Selbst die Umgangsformen der Seeleute sind ihm nun vertrauter. Er vermisst die Reise. Er vermisst die See. Eine seiner größten Erinnerungen ist die Tochter eines Stammeskönigs. Dieses Mädchen namens Poetua war einst Geisel auf dem Schiff des Kapitän Cook. Webber durfte sie während dieser Zeit malen und baut eine extrem starke seelische Verbindung zu dem Mädchen auf. Diese Erinnerung ist schön und quälend zugleich. Webber wird Poetua nie wieder vergessen können.