Bernhard Schlink (Jahrgang 1944) gehört noch zu einer Generation, deren Vertreter nicht selten eine ambivalente Einstellung zum Recht der Frau auf Eigenbestimmung haben. So meint man in diesen Stücken eine Erzählerstimme zu hören, die sich selbst leid tut. Ein passiver, eher unentschlossener Mann, den man sich mit einem weichen Körper und zur Seite gekämmten Haaren vorstellt. Die Frauen, deren Leben er scheinbar beiläufig-zufällig tangiert, bekommen nur eine Kopie des Mannes, der er vielleicht sein könnte. Er bringt sich nur soweit ein, wie er es ertragen kann, und das ist wenig genug. Diese immanente Forderung nach Mitgefühl kann nerven: Kommt seine Lebenslüge heraus, will er doch, dass man ihn in die Arme nimmt. Fast ausnahmslos tritt uns ein männlicher Protagonist entgegen, der sein Leben oder Phasen seines Lebens überdenkt, in das Menschen ungebeten eintreten oder Frauen sich jäh verabschieden. Protagonisten, die am Schluss entweder gar nichts begreifen oder einen plötzlichen Erkenntnisblitz erleben.

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Im "Letzten Sommer" will ein alter Wissenschaftler seinen Abschied vom Leben so gestalten, wie er es für eine schöne Idee hält: auf eine zum Spötteln reizende Art theatralisch, die seiner nichts ahnenden Familie schwer zu schaffen macht, als diese Inszenierung noch vor ihrer Realisierung auffliegt. Vorher gibt ihm das Schicksal Gelegenheit, sich zu verändern, er macht Dinge, der er bislang nie machte, backt Pfannkuchen, kocht, nimmt sich Zeit für seine Enkel und umwirbt seine Frau, die dadurch – lebensklüger als er – dem Verrat – denn so stellt sich der einsam-eigenwillige Abschiedsplan ihres Mannes für sie da – allzu schnell auf die Schliche kommt. Gerade an dem Punkt, an dem die Schmerzen die von ihm geplante Schluss-Szene einläuten müssten, wird er von seiner Familie allein gelassen. Dass er etwas dazu gelernt hat, zeigt der Schluss, der das Bild des entrückten "Patriarchen", der sich als solcher nie bewies, wieder zurecht rückt, gerade rechtzeitig, bevor der Leser ihn zu einem Opfer erklären könnte.