Anna Neros (*1988 in Moskau) Werk besticht durch klare Kanten, streng formale Ordnung, konterkariert durch eine abstrakt-gegenständliche Bildsprache. In Hard-Edge-Technik, also mit abgeklebten und anschließend eingefärbten Flächen, entstehen Gitter, Liniensysteme und Strukturen. Darauf platziert sie glattgelutschte, hochstilisierte Dinglichkeiten. Pointiert gesetzte Pinselstriche in pastosem Farbauftrag und derbem Duktus erinnern regelmäßig daran, dass es gemalte Bildräume sind, in deren Bann man sich gerade befindet. »Es geht in meinen Arbeiten immer um Dinge, um Menschen, um Mensch-Ding-Beziehungen – sexuelle und auch religiöse,« so die Wahlfrankfurterin.

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Die Lesart ihrer Kunst bestimmt Nero oft selbst. Sie scheint stets darauf bedacht, die Rezeption in eigens gewählte Bahnen zu lenken. Werktitel wie Hormonloch, Plumbus, Jetlag (With Happy End), Forbidden Fruit oder Dickie erzählen Geschichten, die sich irgendwo zwischen dem Kinderzimmer einer Manga-Liebhaberin, der Attitüde einer sexpositiven Feministin und dem leicht melancholischen Tagtraum einer strenggläubigen Jüdin während des Tischgebets abspielen. Inhalte politisch motivierter, gesellschaftskritischer oder moralischer Art sucht man vergebens. Es dominiert das Kunstmäßige, der ausgeprägte Sinn für die Oberfläche, für Stofflichkeit und Materialität.

»Anna Nero hat mir einmal gesagt,« so Philipp Schreiner, »dass sie sich erst sehr spät, am Ende ihres Studiums etwa, eingestehen konnte, dass ihre Arbeit ironisch, poppig und gewissermaßen banal ist. Wenn man jünger ist, nimmt man alles sehr ernst und will sehr ernst genommen werden. Mittlerweile hat sie ein gutes Verhältnis zu Deko, Kitsch und Pop. Sie hat es geschafft, die eigenen Ressentiments diesen Themen gegenüber abzulegen und das Kitschige, das Poppige in ihrer Arbeit anzunehmen.«

Ein fiktives Gespräch zwischen Philipp Schreiner sowie der Essayistin und Kritikerin Susan Sontag ordnet die Monografie »All Things Considered« kunsthistrorisch ein. Der sehr persönliche Beitrag Wie es ist eine Malerin zu lieben von Neros Freund Dmitrij Kapitelman sowie der Essay Heaven der viel beachteten Berliner Autorin Mirna Funk begleiten die Werkschau in Buchform.

  • Kompaktinfo
  • All things considered

  • Autor: Anna Nero
  • Ausgabe: 1. Edition (1. September 2020)
  • Verlag: Kerber Verlag
  • ISBN-10: 3735607179
  • ISBN-13: 978-3735607171
  • Fazit

    An Frivolität mangelt es dem Werk Neros nicht. Es besticht geradezu durch schlüpfrig und mehrdeutig anmutende Bildelemente. Immer wieder tauchen Objekte auf, deren Form an Sexspielzeuge, Geschlechtsteile oder obszöne Gesten erinnern. Dabei findet sie jedoch stets eine Ausdrucksweise, die nicht plakativ oder billig daherkommt, sondern unprätentiös und doppeldeutig wirkt.
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