Die Arbeiten von Dries Verhoeven (*1976) changieren zwischen Theater und bildender Kunst. Der Niederländer greift aktuelle Themen sowie gesellschaftliche Stimmungen auf und übersetzt diese in Installationen, Performances und Happenings.

Seine radikalen und unerwarteten Arbeiten finden häufig im öffentlichen Raum statt. Zuschauer*innen geraten unvermittelt in seine Szenerien und erleben die vermeintliche, soziale Realität auf eine poetische, verwirrende oder intensive Art. Verhoeven aktiviert das Publikum, regt zur kritischen Reflexion an und hofft, vorherrschende Systeme, die Leben und unseren Geist bestimmen, unbemerkt in Zweifel ziehen zu können.

Dries Verhoeven: In Doubt. Studio Dries Verhoeven 2003-2019 - Partnerlink

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Seine Installation »Happiness« etwa ist eine Art Notfallapotheke, in der eine humanoide Roboterdame namens »Amy« Medikamente und Drogen zum Verkauf anbietet. Prozac, Heroin, Ketamin und Ritalin bis hin zu Ayahuasca, Pilzen oder auch Alkohol und Cola – Amy verkauft sämtliche Rausch- und Betäubungsmittel ohne moralische Wertung. Vielmehr gibt sie Tipps zur richtigen Handhabung: So rät sie beispielsweise, die Injektionswunde nach Verwendung von Crystal Meth gründlich zu desinfizieren und ergänzt, dass man sich durch Crystal Meth emotional und sexuell mit anderen verbunden fühle. Weiter erklärt sie, dass LSD dazu führen könne, sich in einen Freund zu verlieben oder aber sich plötzlich scheiden zu lassen. Amy ist bei diesen Schilderungen stets freundlich, professionell, kenntnisreich und frei von jeder moralischen Norm. Das Mechanische wird menschlich, das Menschliche mechanisch.

Verhoeven hinterfragt mit diesem Projekt, was passieren würde, wenn künftig alle Arten von Medikamenten legal erhältlich seien und ergänzt: »Der Zuschauer kann selbst entscheiden, ob dies eine utopische oder eine dystopische Zukunftsvision ist.« Er möchte aber nicht nur auf die Zukunft verweisen, sondern auch die Zuschauer*innen mit der Maschine in uns selbst konfrontieren. »Im Gesundheitswesen sind künstliche Hilfsmittel bereits Normalität: Menschen tragen künstliche Hüften und schauen mit gelaserten Augen in die Welt, aber was würde passieren, wenn wir in unser Gehirn, in unser emotionales Gleichgewicht, eingreifen würden?«


Auch die aktuelle Weltuntergangsstimmung öffentlicher Debatten inspirierte Verhoeven zu einem Werk: Im Rahmen der Arbeit »The Funeral« inszenierte er Beerdigungen und trug mit einer Trauergemeinde untergegangene Werte wie die »Multikulti-Gesellschaft« oder den »Sozialstaat« zu Grabe. Für die Beerdigung unserer »Privatsphäre« engagierte er die ehemalige Teilnehmerin einer TV-Castingshow, Gina-Lisa Lohfink, als Trauerrednerin. In einem Interview erklärte er dazu: »Ich suche immer nach Möglichkeiten, übliche Denkmuster zu durchbrechen. »Privatsphäre« ist so etwas wie eine heilige Kuh in Deutschland. Das Erscheinen von Gina-Lisa warf die Frage auf, ob wir allen das gleiche Recht auf Privatheit zugestehen, einschließlich der Pädophilen, der Terror-Verdächtigen und der PR-geilen Promis.«