KISSING COUSINS

»Warum Rot, immer Rot und nochmal Rot, das Rot der BILD-Zeitung, das Rot der Feuerwehr?«

»Türkisch Rot!«

»Und Weiß! Wir reduzieren uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, unseren Nachnamen Akal, der übersetzt Weiß/Rot bedeutet. Genau genommen halten wir uns bei den Rottönen an eine Liste, die wir im Baumarkt entdeckt haben.«

Im Interview mit Mehmet & Kazim entlockt Florian Matzner dem Münchner Künstler-Duo einige spannende Details wie den Satz von Professor Markus Oehlen zur bestandenen Aufnahmeprüfung an der Akademie der Bildenden Künste: »Eure Arbeiten sind scheiße, aber ihr seid zwei coole Jungs …«

Na, dann konnte es ja losgehen!

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Die ersten zwei Semester verbrachten Mehmet & Kazim fast ausschließlich in der Bibliothek, um ein Verständnis für die Materie Kunst und speziell, für die Malerei zu entwickeln. »Dabei haben wir uns viel mit der Kunstgeschichte und anderen Künstlern auseinandergesetzt. Es war uns wichtig herauszufinden, an welcher Stelle wir uns eingliedern können«, so Mehmet.

Ironie, Leichtigkeit, aber auch der ständige Bruch in den Bildern, egal ob malerisch oder thematisch, scheinen sehr wichtig. Das Gemälde Straße zum Glück beispielsweise bezieht sich auf das Bild White Winter Hymnal des amerikanischen Malers Philip Guston, Renegat des Abstrakten Expressionismus und Hauptvertreter des New Image Painting, einer Mischung aus High and Low, eine Bildsprache, die sich aus dem Comic und Graffiti entwickelt hat. Auf dem Original sind zwei seiner berühmt-berüchtigten Ku-Klux-Klan-Figuren rauchend im Auto zu sehen. Mehmet & Kazim hingegen »fahren« in einem Adidas-Sportschuh »zum Glück« – küssend und türkischen Tee trinkend.

»Philip Guston war von Anfang an eines unserer größten Vorbilder! Deshalb lief während des Malprozesses unsere Playlist mit seinen Interviews rauf und runter… Wir hatten tatsächlich das Gefühl, dass er gemeinsam mit uns malt, sozusagen als dritte Hand. Die Comic-Ästhetik ist der gemeinsame Nenner, dazu kommt eine Prise abstrakter Expressionismus von Guston und ein wenig Graffiti aus unserer Ecke.«

Was die beiden jungen Maler da so locker beschreiben, hat in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Erfolg. So lobt Stephanie Weber, Kuratorin des Münchner Lenbachhauses: »Mehmets & Kazims gemeinsame Arbeiten sind ein als nettes Witzchen getarnter Frontalangriff auf tradierte Kategorisierungen, wie männlich, exotisch, oder Begriffe wie Graffiti oder zeitgenössische Kunst.«

Die meisten Motive entwickeln sich aus den vorherigen Bildern, oder aus älteren, nicht ausgereiften Ansätzen. Zu Beginn zeichnen die beiden viel und haben dann meist vier bis fünf Entwürfe, die es ins Finale schaffen. Bei der Umsetzung gibt es verschiedene Phasen: »Am Anfang malen wir gleichzeitig, da geht es drunter und drüber, mal ist Kazim auf der einen, mal auf der anderen Seite, mal bin ich über ihm, und mal sind wir an der gleichen Stelle, bis das Bild eine gewisse Form angenommen hat. In der nächsten Phase zieht sich einer zurück und dirigiert den anderen im Wechsel. Zum Schluss geht es nur noch um Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Dabei ist eines besonders wichtig: Es geht im Grunde nie um unsere Egos, sondern immer um das beste künstlerische Ergebnis.«

Die nun vorliegende Monografie »Kissing Cousins« dokumentiert erstmals die fast zehnjährige Kooperation des Künstler-Duos. Das von Mehmet & Kazim persönlich gestaltete Künstlerbuch spiegelt die Konzepte einer jungen, frischen Generation, die sich an der »großen Kunstgeschichte« orientiert und diese im selben Augenblick selbstbewusst über den Haufen wirft.

  • Kompaktinfo
  • Kissing Cousins

  • Autor: Florian Matzner (Autor), Stephanie Weber (Autor)
  • Ausgabe: 1. Edition (1. Mai 2020)
  • Verlag: Kerber Verlag
  • ISBN-13: 978-3-7356-0691-4
  • Fazit

    »Kissing Cousins« ist sowohl aufwendig gestaltetes Künstlerbuch als auch eine detaillierte Werkmonografie. Die Bildstrategien der beiden Münchner zeigen sich ganz unmittelbar – subtil an der Kunstgeschichte orientiert, doch nur, um diese prompt »über den Haufen« zu werfen.
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