»Jeder möchte alt werden, aber nicht alt sein.« Ist das wirklich so?

Getrieben von dem eigenen Gefühl ein »Mindesthaltbarkeitsdatum« zu haben, startete Irene van Nispen Kress im Herbst 2012 das Projekt »Silver«. Van Nispen Kress war gerade 50 Jahre alt geworden und spürte, dass sie eine Grenze überschritten hatte: »Plötzlich gehörte ich dazu, zu den älteren Menschen der Gesellschaft. Im Gegensatz zu gestern, bin ich heute alt.« Diese Gedanken gingen mit einem starken Unbehagen einher. Würde van Nispen Kress nun in eine perspektivlose Lebensphase eintreten? Oder schlimmer noch, auf eine Phase zusteuern, in der sie anderen nur noch zur Last fallen würde?

Irene van Nispen Kress: Silver - Partnerlink

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Weitere Fragestellungen drängten sich auf: Hatte die Fotografin nun alles erreicht, was sie im Leben erreichen wollte und konnte? Wäre es vermessen in ihrem Alter noch einmal etwas ganz Neues beginnen zu wollen? Auf was müsse van Nispen Kress vorbereitet sein und solle sie sich schon einmal gedanklich von der Gesellschaft verabschieden?

Schnell verwarf van Nispen Kress all diese Sorgen und stellte sich der veränderten Situation: »Ich bin gesund und immer noch der neugierige, begeisterungsfähige Mensch, der ich immer war. Meine Talente sind nicht verdörrt, sondern gereift und gewachsen. Rückschläge habe ich pariert und bin an ihnen gewachsen. Heute bin ich mehr ich selbst, als ich es je war!«

Was hatte die Zukunft also zu bieten? Auf der Suche nach positiven Vorbildern fand die Niederländerin Anke, Mieke und Ellen. Die drei Frauen aus ihrem erweiterten Lebensumfeld stimmten zu, sich mit der Fotokamera begleiten zu lassen. Themen wie der Verlust von Schönheit und Fruchtbarkeit, aber auch Neuanfänge oder Intimität im Alter sollten im Mittelpunkt des Interesses stehen. Zu Beginn war Van Nispen Kress besonders an der Energie und Dynamik der Frauen interessiert. Im Laufe der Zeit wurde jedoch Frage nach der Art, wie sie mit ihrem Wachstum umgingen, der wichtigste Faktor der Beobachtungen.

»Ich wollte ein realistisches Bild zeichnen. Nicht inszenieren oder ausschmücken, nichts wiederholen oder ins rechte Licht rücken«, so die Fotografin. »Ich arbeitete mit den gegebenen Umständen und entschied mich zusätzlich für Aufnahmen in Schwarz-Weiss, um der Beeinträchtigung durch Farbe, die teilweise zusätzlich eine Ebene der Schönheit zu verleihen vermag, entgegenzuwirken. Ich wollte Körpersprache, Bewegung und Emotion.«


Anke steht für für Lebenslust. Und die Liebe. Wegen ihrer häufigen Krankheitsanfälle als Kind und einem Leben mit dem Krebsgen sieht sie jeden Tag als Geschenk. Mieke ist neugierig und voller Energie. Sie verfolgt Ziele und Talente und versucht stets das Beste aus sich herauszuholen. Ellen begrüßt das Leben mit Neugier. Ihre heftige Impulsivität mag sich ein wenig verringert haben, aber sie springt immer noch durch den Alltag auf der Suche nach verborgenen Schätzen. »Für mich sind diese drei Frauen Vorbilder für alle Frauen. Es geht nicht um Hautfarbe oder soziale Hintergründe. Es geht nicht um Unterschiede. Es geht um Ähnlichkeiten.«

Van Nispen Kress hat sechs sehr persönliche Jahre mit Anke, Mieke und Ellen verbracht und sich am Ende eine wichtige Frage beantworten können: