Als feste Größe in der aktuellen internationalen Kunstszene beweist Jonas Burgert (*1969), wie spannend die gegenständliche Malerei heute noch sein kann. Für seine Einzelausstellung im Arp Museum Remagen und die dazugehörige Publikation »Sinn frisst« hat er sieben neue, großformatige Werke geschaffen, die, ergänzt von kleineren Porträts und Skulpturen, das Publikum in surreal anmutende Welten locken:

In architektonischen, oft ruinösen Szenerien oder Interieurs begegnen uns Figuren in eigentümlicher Kleidung, mit bizarren Accessoires, oft umgeben von Tieren. Teilnahmslos schauen sie aus dem sie umgebenden Gewimmel und fesseln doch unseren Blick. Dieser jagt hierhin und dorthin und wieder zurück – im Bemühen, kein Detail des Geschehens zu verpassen – ein Versuch, der sich jedoch als aussichtslos erweist. Denn obwohl sich die Figuren oft in Interaktion miteinander zu befinden scheinen, lässt sich eine klare Handlung nicht erkennen. Auch vermeintlich vertraute Objekte und die räumliche Umgebung bleiben rätselhaft in ihrer Abgründigkeit.

Jonas Burgert: Sinn frisst - Partnerlink

Jonas Burgert: Sinn frisst - Partnerlink

»In seinen farbgewaltigen Gemälden verbindet Burgert die klassische Tradition des Tafelbildes mit einer zeitgenössischen Ästhetik«, so Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums. »Durch grelle Farbkontraste, perspektivische Brüche und unterschiedliche Maßstäbe wirken sie wie collagiert. Zugleich sind alle Elemente durch die Einfassung in eine gemeinsame Kulisse und sorgsam gesetzte Blickachsen miteinander verbunden. In der souveränen Beherrschung der malerischen Mittel schafft Burgert ausgewogene Kompositionen, die nur vordergründig überbordend und chaotisch wirken. Er verbindet dabei nahezu abstrakte Passagen, die ihre malerische Materialität betonen, mit einer bestechenden Gegenständlichkeit, die sofort in den Bann zieht.«

Das Theatrale charakterisiert auch seine Porträts und die Skulpturen. Letztere scheinen als geschrumpfte oder überlebensgroße Figuren geradewegs den Gemälden entsprungen. Sie erweitern den bühnenhaften Bildraum in den realen Museumsraum und mischen sich als obskure Fragmente unter das Publikum. Die Porträts bestechen durch ihre melancholische Intensität in Hell-Dunkel-Kontrasten und farbigen Akzenten. Die dargestellten Personen bleiben anonym und wirken durch ihren zumeist neutralen Gesichtsausdruck seltsam distanziert, während zugleich eine große Anziehungskraft von ihnen ausgeht.

Die Kunst Burgerts bedient sich klassischer dramaturgischer Mittel und nimmt gefangen, während sie sich beständig einer klaren Deutung entzieht. Ein eindeutig lesbares Bildgeschehen erweist sich als Fiktion. So erzählt Burgert vielmehr übergeordnet etwas über die Wirkmacht von Bildern und über die unüberbrückbare Kluft von Abbild und Wirklichkeit. Diese Kluft wird dabei zur produktiven Quelle seiner Werke: Sie brechen bewusst mit einem bloßen Realismus, bleiben aber stets unserer Erfahrungswelt verbunden. In einer vagen, fast symbolhaften Aneignung – immer in der Schwebe zwischen Vertrautem und Fremdem – spürt Burgert dem Rätsel des In-der-Welt-Seins nach. Mit Präzision und einem ausgeprägten malerischen Gespür ist er auf der Suche nach einem Ausdruck des zutiefst Menschlichen.

Für Burgert ist die neue Monografie weit mehr als ein bloßer Ausstellungskatalog. Denn über die Remagener Monumentalgemälde hinaus, spannt das Buch einen umfassenden Bogen durch sein gesamtes Werk, von den Anfängen bis heute: »Durch die Ausstellung gibt es einen Einstieg und dann habe ich sehr gezielt entschieden, jetzt braucht es noch diese Figur und dieses Bild und dann noch eines von vor fünf Jahren, das genau an dieser Stelle sinnvoll für den Zusammenhang ist. Ich habe versucht, dem Buch eine Struktur zu geben, die meiner Bildwelt entspricht. Eine bildliche Logik, in der das eine auf das andere aufbaut und so weiter. Aufgehört habe ich, als ich das Gefühl hatte, dass alles rund ist.«

Mit Monika Rinck und Ralph Dutli gibt es erstmals auch literarische Stimmen zu Burgerts Werk, die im Buch eine wichtige Rolle spielen. »Nachdem es viele kunsthistorische Texte zu meinen Bildern gibt, habe ich mich gefragt, wie es möglich ist, das, was ich mit der Malerei visuell versuche, auch verbal auszudrücken,« beschreibt der Künstler. »Einen erklärenden Zugang wird man nicht finden, aber es gibt eine assoziative Nähe. Das haben die beiden geschafft. Nicht visuell, sondern in Sprache umgesetzt, aber genauso verrückt. Das war das Ziel, eine andere künstlerische Transformation. Ich bin sehr glücklich damit.«