Atlantas Geschichte ist geprägt von Zerstörung und Neuanfang. Die einstige Konföderierten-Metropole hat Sklaverei und Rassentrennung überlebt und sich zur Wiege der Bürgerrechtsbewegung entwickelt. Zuletzt wurde Georgia sogar zum blauen Fleck in einem roten Bundesstaaten-Meer. Joshua Dudley Greers Fotobuch "The Makeshift City" zeigt ein Atlanta im Wandel – eine Stadt, die einerseits eine unverwechselbare Identität hat, andererseits aber auch als Sinnbild für den Identitätskampf vieler amerikanischer Großstädte dient.
Der Zeitraum, den Greer in seinem Werk dokumentiert, war geprägt von einschneidenden Ereignissen: Die COVID-19-Pandemie, die Erstarkung der Black-Lives-Matter-Bewegung, der Kampf um Abtreibungsrechte, steigende Ungleichheit und die "Stop Cop City"-Proteste setzten Atlanta stark unter Druck. Als Fotograf wollte Greer beobachten, wie sich diese ökonomischen und politischen Umwälzungen im Stadtbild, in der Architektur und im Gemeinschaftsleben manifestierten.
Obwohl sich die äußere Gestalt der Stadt in diesen Jahren dramatisch veränderte, blieben die systemischen Strukturen oft erstaunlich stabil – geprägt von Kapitalinteressen und dem Hin und Her der politischen Mehrheiten. Greers Fotografien dokumentieren Straßenkreuzungen, Vororte, Filmkulissen, Friedhöfe, Flüsse und Baustellen in Atlanta. Sie zeigen eine Landschaft, die durch Entwicklung und Straßenbau zerrissen ist, aber auch Orte, an denen die Bewohner sich improvisierte Räume schaffen. Greer verwebt diese Elemente zu einer Erzählung über die Spannungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Der Fotograf beobachtete Momente der Widerstandskraft, des Aktivismus, der Selbstlosigkeit und der Freude – aber auch der Banalität, Privilegien und Ignoranz. Atlantas Geschichte reicht bis in die Zeit der Creek- und Cherokee-Ureinwohner zurück. Die Stadt entstand als Eisenbahnknotenpunkt und war geprägt von Sklaverei, Rassendiskriminierung und Segregation. Gleichzeitig galt Atlanta als "Black Mecca" mit florierender schwarzer Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur.
Die jüngsten Entwicklungen – Bevölkerungswachstum, Immobilienboom und Gentrifizierung – deuten auf eine neue, ungewisse Zukunft hin. Ein Foto-Beispiel zeigt den Gegensatz zwischen einem Filmset auf der Auburn Avenue und der maroden Infrastruktur in der unmittelbaren Umgebung. Ein anderes Bild zeigt einen Cybertruck auf einem Parkdeck – ein Symbol für Wohlstand und die Distanz zur Lebenswirklichkeit auf den Straßen.
Greer sieht es als Aufgabe des Künstlers, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Kräften und Problemen, die Atlanta prägen, aufzuzeigen und ein Bild der Stadt in einer turbulenten Ära zu zeichnen. "The Makeshift City" soll ein visuelles Dokument der Transformation Atlantas in einer Zeit tiefgreifender Umbrüche sein. Das Buch thematisiert Ungleichheit, Gentrifizierung, Aktivismus und die komplexe soziale und politische Landschaft der Stadt. Es bietet einen facettenreichen Blick auf Atlanta – mit allem, was der Fotograf zu verstehen glaubt, und dem, was ihm womöglich für immer verborgen bleibt.
"The Makeshift City" von Joshua Dudley Greer erscheint im Dezember 2024 im GOST Books Verlag. Das Buch ist eine faszinierende fotografische Erkundung einer Großstadt im Wandel – ein wichtiges visuelles Dokument einer Zeitenwende in der Geschichte Atlantas.