»Wenn ich mit einem Stift zeichne, ist die Hand ein Werkzeug, das sich eines Werkzeuges bedient: Das Greifen des Stiftes ist ein Umschließen, eine innige Berührung der sich schließenden, sich nach außen abschließenden, Hand. Sie nimmt den Stift (in sich) auf, um ihn, aus sich heraus, zu führen. Dieses Zeichnen ist ein ausschließendes, nahezu exklusives Verhältnis zwischen Stift und Hand.

Ich zeichne auf mehrere Blätter, alle im gleichen Format. Jede dieser Zeichnungen wird in mehrere, übereinander geschichtete Papiere gebohrt. Diese Blätter werden wieder voneinander gelöst. Dann tausche oder wende ich sowohl die Zeichenvorlagen als auch einzelne Blattschichten. Und bohre neuerlich: diesmal andere Vorzeichnungen in bereits durchbohrte Blätter. Ich wiederhole diesen Vorgang mehrfach, und die Motive verdichten und überlagern sich. Auf den einzelnen Blättern finden sich dann oft die gleichen gebohrten Liniensequenzen, aber nie die gleichen auf allen Blättern, weil sie mit jedem Bohrvorgang untereinander getauscht wurden.

Sind das mehrere Bilder in jedem Blatt? Oder sind alle Blätter: ein Bild?«

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Die Kunst der Zeichnung ist schon lange nicht mehr auf Linien und Papier beschränkt. Katharina Hinsberg (*1967) etwa hat den Begriff der Zeichnung mit ihren markanten, oft ortspezifischen Arbeiten nachhaltig erweitert.

Ihr Werk »Interpunktionen«, das 2019 in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums gezeigt wurde, basiert auf klassischen Handzeichnungen im buchstäblichen Sinne: Hinsberg taucht zunächst ihre Fingerkuppen in Grafitwachs und zeichnet damit auf große Papierbahnen vor der Wand. Ihre Linien sind der unmittelbare Ausdruck von Körperbewegung, aber auch von rationalen Entscheidungen über den jeweiligen Verlauf.

Diese überdimensionalen Vorzeichnungen werden im Anschluss mit Bohrern in verschieden große Löcher übersetzt und direkt in die Wand gebohrt. Von Weitem verschmelzen diese Löcher zu flirrenden Linien, die manchmal fast dreidimensional anmuten. An ausgewählten Stellen hängen beim fertigen Werk gebohrte Bildsequenzen vor den Wänden. »Der unmittelbare Zusammenhang zwischen den Motiven in den Papieren und jenen in der Wand wird wieder erkennbar. Die Zeichnung setzt sich fort, ununterbrochen, als kontingentes raumgreifendes Bild. Es ändert – über Vorzeichnung und Matrize, Wandzeichnung, Zwischenblatt, Schichtung, Untergrund und Ansicht – beständig seinen Status, während es in Abwesenheit, durch und durch, gleichbleibend gegenwärtig erscheint.«

In den vergangenen Jahren war Hinsberg immer wieder mit ortsbezogenen, installativen Arbeiten in nationalen und internationalen Ausstellungskontexten vertreten. Seit 2011 hat die Künstlerin eine Professur für konzeptuelle Malerei an der Hochschule der bildenden Künste Saar inne. Der Umgang mit dem Raum und die Frage nach seinem Wechselspiel mit Bildträger, Farbe und Lineament bestimmen Hinsbergs künstlerisches Denken. Das Spektrum ihres Werks reicht von kleinformatigen, feinst geschnittenen Papiergittern bis hin zu monumentalen Installationen, bei denen ganze Räume mit schwebenden Papierstreifen durchwirkt oder mit buntfarbigen Papieren systematisch ausgekleidet werden.

  • Kompaktinfo
  • Vorzeichnungen eines Bildes

  • Autor: Katharina Hinsberg
  • Ausgabe: Edition (1. Juli 2020)
  • Verlag: Kerber Verlag
  • ISBN-10: 3735607020
  • ISBN-13: 978-3735607027
  • Fazit

    Mit »Vorzeichnungen eines Bildes« erscheint eine Monografie, die Hinsbergs Arbeit einer raumgreifenden Zeichnung für das Saarlandmuseum dokumentiert.
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