Der US-Amerikaner Stanley Kubrick hat sich vor allem als Regisseur einen Namen gemacht. Er zeichnete für eine Reihe von fast legendären Filmen verantwortlich, die bis heute unvergessen sind. Weniger bekannt ist, dass der Regisseur auch als Fotograf tätig war, bevor er die Materie wechselte und zum Film ging. Kenner beschreiben ihn als einen Mann, der ein Faible für alles Merkwürdige hatte. Das wurde bereits in den frühen Anfängen seiner Karriere deutlich, denn schon im Alter von 17 Jahren fotografierte er die New Yorker Stars und das gesamte Leben in der riesigen Metropole. Das New Yorker Museum of the City hat ihm deshalb eine eigene Schau gewidmet, in dem viele Fotografien des Künstlers zu bewundern sind.
Kubrick hat mit jedem seiner Bilder versucht, einen ganzen Film auf Papier zu bannen, so jedenfalls scheint es. Ein sehr bekanntes Werk von ihm zeigt ein Liebespaar mitten in der New Yorker U-Bahn, das die Welt um sich herum zu vergessen scheint, während im Hintergrund Obdachlose ihr trauriges Dasein fristen und Menschen zur Arbeit und nach Hause hasten. Diese Fotografie steht wie ein Sinnbild für das, was den Regisseur in seiner früheren Laufbahn als Fotograf ausmachte. Mit der Fotografie schuf er die Basis für sein späteres Wirken beim Film.
Auffallend ist, wie sehr sich der Künstler bemüht hat, das Alltagsleben in Fotos festzuhalten. Kenner behaupten, sein bekannter Film „Eyes Wide Shut“ sei aus Bildern entstanden, die er als angehender Künstler fotografiert hatte. Man sagte ihm einen gewissen Hang zu allem nach, was irgendwie Merkwürdig und Exzentrisch, aber unbedingt Überwältigend war. Gerne fing er in seinen Fotos ein Tabu ein und brachte es zu Papier, wie er es später auch mit seinen Filmen tat. Die meisten Bilder haben eine Gemeinsamkeit, denn sie spielen in New York und sind so etwas wie eine Hommage an die riesige Stadt am Hudson River. Zu erklären ist das wohl damit, dass Kubrick hier seinerzeit im Jahr 1928 im Stadtteil Bronx geboren wurde. Deshalb wollte er die New Yorker so für die Nachwelt festhalten wie er sie selbst erlebte. Gesichter und Charaktere wurden auf Fotopapier gebannt und stehen bis heute für den Alltag in der Großstadt seiner Zeit.
Bedenkt man, dass die meisten Bilder Ende der 1940er Jahre entstanden, wird klar, welcher Schatz hier verborgen liegt. Bis heute sind nur wenige Bilder aus dieser Zeit erhalten geblieben, deshalb sind die Fotografien von Kubrick eine Besonderheit. Sie lassen das Leben und den Alltag in New York lebendig werden, obwohl schon heute mehrere Generationen ins Land gegangen sind. Geblieben ist die Liebeserklärung eines jungen Fotografen an seine Heimatstadt, die es möglich macht, die laute, hektische und düstere Metropole von einer Seite zu erleben, die man nur bei genauem Hinschauen erkennt. Mit seinen Bildern aus dem früheren New York ist dem Künstler genau das gelungen.
"Through a Different Lens" erscheint beim Taschen Verlag anlässlich einer Ausstellung mit Kubricks Fotografien im Museum of the City of New York und zeigt mit rund 300 Bildern und zahlreichen reproduzierten Seiten aus dem Look-Magazin eine wenig bekannte Seite des Regisseurs. Die Einleitung schrieb der renommierte Filmkritiker Luc Sante.
(Marktplatz) 98,32
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Titelbild: p. 215 Stanley Kubrick, from “Peter Arno . . . Sophisticated Cartoonist,” 1949. Arno plays the piano in his Park Avenue apartment. Copyright: ©SK Film Archives/Museum of the City of New York